Steigende Bauzinsen trotz sinkender EZB-Zinsen – warum passiert das?
Obwohl die Europäische Zentralbank (EZB) jüngst den Leitzins gesenkt hat, ziehen die Bauzinsen in Deutschland wieder an. So sind die Zinsen für Immobilienkredite innerhalb weniger Tage um 0,33 Prozentpunkte nach oben gesprungen – der stärkste Wochenanstieg seit der globalen Finanzkrise vor 15+ Jahren. Während die Notenbank also billigere Refinanzierung für Banken schafft, werden Hauskredite für Bauherren und Immobilienkäufer teurer – ein scheinbares Paradox. In diesem Blogartikel beleuchten wir die Gründe dafür und welche Rolle ein geplantes Sondervermögen der Bundesregierung in Höhe von rund 900 Milliarden Euro dabei spielt. Gerade für angehende Eigenheimbesitzer und Kreditnehmer ist es wichtig zu verstehen, warum niedrige Zentralbankzinsen nicht automatisch niedrige Bauzinsen bedeuten.
Dass die Bauzinsen steigen, hat handfeste Ursachen. Zum einen unterscheiden sich die Zinsarten: Der kurzfristige EZB-Leitzins ist etwas anderes als die langfristigen Marktzinsen, an denen sich Baukredite orientieren. Zum anderen spielen aktuelle Entwicklungen eine Rolle – vor allem die Erwartungen der Finanzmärkte und staatliche Schuldenpläne, die die Kapitalmarktzinsen nach oben treiben. Im Folgenden erklären wir Schritt für Schritt, warum die Bauzinsen aktuell steigen und welchen Einfluss das 900-Milliarden-Sondervermögen der Bundesregierung darauf hat.
Der Unterschied zwischen EZB-Leitzins und Bauzinsen
Der EZB-Leitzins ist der Zinssatz, zu dem sich Geschäftsbanken bei der Zentralbank kurzfristig Geld leihen können. Eine Senkung dieses Leitzinses verbilligt kurzfristig die Refinanzierung der Banken und soll die Wirtschaft ankurbeln. Baukredite hingegen laufen oft zehn, fünfzehn oder mehr Jahre – sie hängen deshalb eher von langfristigen Zinsen am Kapitalmarkt ab, nicht vom tagesaktuellen Leitzins. Konkret orientieren sich Bauzinsen vor allem an den Renditen langfristiger Anleihen (etwa 10-jähriger Bundesanleihen) und an Pfandbriefen. Letztere sind von Banken ausgegebene, durch Immobilienkredite besicherte Anleihen, mit denen sie Baufinanzierungen refinanzieren. Steigen die Renditen dieser Wertpapiere, müssen auch die Bauzinsen nachziehen.
Anders ausgedrückt: Investoren am Kapitalmarkt bestimmen durch Angebot und Nachfrage nach Anleihen das Zinsniveau für längere Laufzeiten. „Die Bauzinsen sind mehr davon abhängig, zu welchen Zinsen die Investoren bereit sind, dem deutschen Staat in Form der 10-jährigen Bundesanleihe Geld zu leihen“ erklärt Finanzexperte Max Herbst. Sinkt der EZB-Leitzins zwar um ein paar Viertelprozentpunkte, so beeinflusst das direkte nur sehr kurzfristige Kredite. Ein Immobilienkredit über z.B. 10 Jahre wird dagegen vor allem durch den längerfristigen Zins bestimmt, der am Markt für diese Laufzeit erwartet wird. Daher kann es passieren, dass Bauzinsen steigen, selbst wenn die EZB gerade senkt – nämlich dann, wenn andere Faktoren die langfristigen Zinsen nach oben treiben.
"Die beste Zeit, eine Immobilie bewerten zu lassen, war gestern. Die zweitbeste ist heute – bevor die Zinsen weiter steigen."
Andreas Heinrichs
Warum steigen die Bauzinsen aktuell?
Staatsanleihen als Referenz für Bauzinsen
Ein zentraler Grund für steigende Bauzinsen ist der Anstieg der Renditen von Staatsanleihen. In den letzten Monaten sind die Renditen für zehnjährige Bundesanleihen deutlich geklettert. Anfang 2024 lagen sie noch bei etwa 2,1 %, im Juni 2024 schon bei rund 2,4 %. Anfang 2025 schoss die Rendite zeitweise auf nahe 3 % hoch. Zur Einordnung: Vor diesem Sprung notierten zehnjährige Bundesanleihen unter 2,5 % Rendite – es war also ein abrupter Anstieg. Diese Entwicklung schlägt direkt auf die Bauzinsen durch. Banken müssen für ihre Refinanzierung nun selbst mehr Zinsen zahlen und geben dies an die Kunden weiter. Immobiliendarlehen mit zehnjähriger Zinsbindung liegen aktuell im Schnitt bei rund 3,6–3,7 %, nachdem sie vor wenigen Monaten noch näher an 3 % lagen. Die höhere Umlaufrendite der Anleihen wirkt also als Treiber für Bauzinsen, da beide eng miteinander verknüpft sind.
Inflation und Risikoaufschläge
Neben den Staatsanleihe-Renditen beeinflussen auch Inflationserwartungen und Risikozuschläge der Banken das Zinsniveau. Bei einer hohen oder unsicheren Inflation verlangen Geldgeber einen höheren Zins, um den Kaufkraftverlust auszugleichen. Zwar ist die Teuerungsrate in Deutschland zuletzt auf rund 2,3–2,4 % zurückgegangen, doch die Perspektive künftiger staatlicher Ausgaben und Lohnsteigerungen schürt die Sorge, dass die Inflation wieder anziehen könnte.
Entsprechend kalkulieren Investoren und Banken vorsichtiger. Risikoprämien spielen ebenfalls eine Rolle: Banken berücksichtigen die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kredit ausfallen oder der Beleihungswert einer Immobilie sinken könnte. In unsicheren Zeiten mit konjunkturellen Fragezeichen werden Kredite daher mit etwas Aufschlag versehen, um mögliche Risiken abzudecken. Jüngste Entwicklungen am Immobilienmarkt bestätigen diese Vorsicht: Seit 2023 werden wieder vermehrt Häuser zwangsversteigert, weil Eigentümer die stark gestiegenen Anschlusszinsen nicht schultern konnten. Solche Warnsignale führen dazu, dass Banken bei neuen Darlehen strenger kalkulieren und lieber etwas höhere Zinsen ansetzen, um sich gegen Zahlungsausfälle und Wertverluste abzusichern. All das trägt dazu bei, dass Bauzinsen steigen oder nicht so stark fallen, wie man es allein vom gesunkenen Leitzins her erwarten würde.
Erwartungen an die Geldpolitik
Ein wichtiger Faktor ist zudem, wie die Märkte die zukünftige Geldpolitik einschätzen. Die EZB hat begonnen, die Zinsen zu senken, um die lahmende Konjunktur zu stützen. Doch wenn die Investoren glauben, dass diese Zinssenkungen begrenzt bleiben oder sogar rückgängig gemacht werden könnten, dann bleiben die langfristigen Zinsen hoch. Genau das scheint derzeit der Fall zu sein. Durch neue Ausgabenprogramme und Inflationsrisiken erwarten viele Experten, dass die EZB vorsichtiger agieren wird. So könnte das Umfeld steigender Staatsausgaben (dazu gleich mehr) dazu führen, dass die Notenbank die Zinsen weniger stark senkt als gedacht, um einen Inflationsschub zu verhindern.
Die Märkte preisen solche Erwartungen bereits ein: Anstatt auf rapide weiter fallende Zinsen zu setzen, kalkulieren sie langfristig eher mit stabilen oder wieder steigenden Zinsen. Diese Erwartung hält die Renditen für langjährige Anleihen – und damit die Bauzinsen – auf hohem Niveau. Vereinfacht gesagt: Wenn alle damit rechnen, dass die Zinsen in einigen Jahren wieder höher sein könnten, verlangt man schon heute für eine zehnjährige Anlage einen entsprechend höheren Satz. Darum spüren Bauherren von der leichten EZB-Entlastung bisher wenig; die Langfristzinsen bleiben wegen der Zukunftserwartungen angespannt hoch.
„Die Bauzinsen steigen, Ihre Immobilie auch? Finden Sie es mit einer professionellen Bewertung heraus!“
Andreas Heinrichs
Das 900-Milliarden-Sondervermögen und seine Auswirkungen auf die Zinsen
Hintergrund: Was steckt hinter dem 900-Milliarden-Paket?
Einen besonders großen Einfluss auf die Zinsentwicklung hat das geplante Sondervermögen der Bundesregierung über knapp 900 Milliarden Euro. Hintergrund dieses gigantischen Finanzpakets ist der Plan, zusätzliche Schulden aufzunehmen, um in den kommenden Jahren massiv in Verteidigung und Infrastruktur zu investieren. Angesichts von Ukraine-Krieg und Investitionsstau hatten sich führende Politiker – allem voran aus Union (CDU/CSU) und SPD – grundsätzlich darauf verständigt, nach dem Motto „Whatever it takes“ ein schuldenfinanziertes Investitionsprogramm historischen Ausmaßes zu schnüren.
Weil diese Summe die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse deutlich übersteigt, soll das Geld als Sondervermögen außerhalb des regulären Haushalts bereitgestellt werden. Die Umsetzung erfordert eine Änderung des Grundgesetzes, wofür eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag nötig ist. Daher wurde das Vorhaben parteiübergreifend vorangetrieben: Neben der regierenden SPD signalisierte auch die oppositionelle Union Zustimmung, und Stimmen etwa von Bündnis 90/Die Grünen wären ebenfalls nötig, um das Paket zu verabschieden.
Mit anderen Worten: CDU, SPD und Grüne ziehen (trotz unterschiedlicher Positionen zur Schuldenbremse) an einem Strang, um dieses Sondervermögen möglich zu machen. Das Ziel dahinter ist, dringend notwendige Investitionen zu finanzieren, ohne die Schuldenbremse formal zu reißen – faktisch bedeutet es aber in jedem Fall neue Kredite in gigantischer Höhe.
Wie das Sondervermögen die Zinsen beeinflusst
Die Ankündigung dieses Schuldenpakets hat am Kapitalmarkt unmittelbare Spuren hinterlassen. Der Staat finanziert ein Sondervermögen, indem er zusätzliche Staatsanleihen ausgibt – vereinfacht gesagt: Er leiht sich das Geld von Investoren. Die Aussicht, dass Deutschland in naher Zukunft Hunderte Milliarden Euro mehr an Anleihen herausgeben wird, ließ daher die Kurse der bestehenden Bundesanleihen einbrechen und die Renditen sprunghaft ansteigen.
Tatsächlich stiegen die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen Anfang März 2025 zeitweise um rund 0,4 Prozentpunkte an einem Tag, auf Werte nahe 2,9 %. Einen so plötzlichen Zinssprung hatte es bei Bundesanleihen seit über 30 Jahren (seit der Wiedervereinigung) nicht mehr gegeben. Warum reagieren die Märkte so heftig? Zum einen, weil ein so enormes Kreditangebot nur mit höheren Zinsen am Markt untergebracht werden kann – der Bund muss neue Anleger mit attraktiveren Konditionen anlocken.
Zum anderen steigt mit der schuldenfinanzierten Ausgabenflut auch die Gesamtverschuldung des Staates deutlich. Zwar gilt die Bonität Deutschlands weiterhin als sehr solide, doch steigende Staatsverschuldung ist ein Risiko: Anleger verlangen als Ausgleich tendenziell höhere Zinsen, insbesondere wenn so viele neue Anleihen auf den Markt kommen. Finanzanalysten kommentierten, dass die Spekulation auf stark wachsende Anleihe-Emissionen den Markt „massiv belastet“ und einen Renditeanstieg auslöst. Mit anderen Worten: Eine Flut neuer Staatsanleihen trifft auf begrenzte Investorenmittel, weshalb die Preise dieser Papiere fallen und die Renditen nach oben gehen.
Für die Bauzinsen ist diese Entwicklung direkt spürbar. Da – wie oben erläutert – die Konditionen von Immobilienkrediten sich an den Renditen der Bundesanleihen orientieren, treiben höhere Staatsanleiherenditen automatisch auch die Baufinanzierungszinsen nach oben. So führte allein die Erwartung des Sondervermögens dazu, dass diverse Banken ihre Hypothekenzinsen deutlich anhoben. Beispielsweise hat ein großer Baufinanzierer, die ING, laut Medienberichten alle Sollzinsen für Immobilienkredite schlagartig um 0,5 %-Punkte erhöht – ein in dieser Größenordnung seit Jahrzehnten nicht gesehener Schritt. Das zeigt, wie stark die geplante neue Schuldenpolitik bereits im Vorfeld auf die Finanzierungskosten durchschlägt.
Selbst bevor das Sondervermögen endgültig beschlossen ist, nehmen Anleihemarkt und Banken die Entwicklung vorweg. Für Kreditnehmer heißt das: Staatliche Megaprogramme können Zinswirkungen haben, die bis zum privaten Häuslebauer reichen. Das 900-Milliarden-Paket der Bundesregierung ist aktuell ein zentraler Treiber dafür, dass Bauzinsen trotz gesenkter Leitzinsen nicht fallen, sondern im Gegenteil tendenziell steigen.
„Sondervermögen heißt versteckte Schulden – Immobilienbesitzer spüren dies als Erste über steigende Zinsen. Wer noch von den hohen Preisen profitieren will, sollte schnell handeln.“
Andreas Heinrichs
Konsequenzen für Immobilienkäufer und Kreditnehmer
Zinsausblick: Bleiben Bauzinsen hoch?
Angesichts der beschriebenen Einflüsse rechnen Marktbeobachter damit, dass das Bauzinsniveau vorerst erhöht bleibt. Eine rasche Rückkehr zu den ultraniedrigen Hypothekenzinsen der Jahre 2020/21 (teils unter 1 %) ist äußerst unwahrscheinlich. Vielmehr gehen die meisten Experten davon aus, dass sich Zehnjahres-Darlehenszinsen im Korridor von ca. 3,5 bis 4 % bewegen werden – jedenfalls so lange, bis sich die Lage grundlegend ändert. Umfragen unter Banken zeigen sogar, dass inzwischen eine Mehrheit der Institute eher mit weiter steigenden Zinsen im Jahresverlauf rechnet. Zwar könnte die EZB bei anhaltend schwacher Konjunktur noch ein paar kleine Zinssenkungen vornehmen, was etwas Entlastung bringt.
Doch das große Bild – Inflation nahe der Zielmarke, hohe Staatsnachfrage nach Kapital und vorsichtige Märkte – dürfte die langfristigen Zinsen auf einem vergleichsweise hohen Niveau halten. Immobilieninteressenten sollten sich also darauf einstellen, dass Baukredite in nächster Zeit nicht deutlich günstiger werden. Kurzfristige Schwankungen sind immer möglich, doch eine spürbare und nachhaltige Zinssenkung bei Baufinanzierungen erfordert entweder einen kräftigen konjunkturellen Dämpfer oder eine restriktivere Ausgabenpolitik – beides ist momentan nicht wirklich in Sicht. Entsprechend lautet die Prognose vorsichtig: Bauzinsen bleiben 2024/2025 eher teuer im Vergleich zu den letzten Jahrzehnten des billigen Geldes.
Strategien: Wie sich Kreditnehmer absichern können
Für angehende Immobilienkäufer und Hausbesitzer mit Finanzierungsbedarf ist es jetzt wichtig, gegen steigende Zinsen vorzusorgen. Ein zentrales Mittel ist eine langfristige Zinsbindung. Wer heute ein Darlehen aufnimmt, kann überlegen, den Zinssatz möglichst lange festzuschreiben – etwa 15 oder sogar 20 Jahre. Dadurch sichert man sich das aktuelle Zinsniveau und schützt sich vor weiteren Steigerungen in der Zukunft. Gerade bei der großen Investition eines Hauskaufs sollte die langfristige Absicherung an erster Stelle stehen, rät auch Finanzierungsexperte Michael Neumann: Man muss über die ersten Jahre hinausdenken und sich gegen Risiken wie künftige Zinsänderungen bei der Anschlussfinanzierung wappnen.
Eine zweite Strategie ist das Forward-Darlehen. Wenn ein Immobilienkredit in absehbarer Zeit (z.B. in 1–3 Jahren) verlängert oder umgeschuldet werden muss, kann man schon jetzt mit der Bank einen Folgekredit zu heutigen Konditionen vereinbaren. Dieses Forward-Darlehen tritt erst in der Zukunft in Kraft, garantiert aber den aktuellen Zinssatz. Zwar fällt dafür ein kleiner Zinsaufschlag an, doch angesichts der Erwartung weiterer Steigerungen kann sich das lohnen – man kauft sich Planungssicherheit.
Daneben gilt: Auf Puffer und Flexibilität achten. Eine etwas höhere anfängliche Tilgung oder das Recht auf Sondertilgungen können helfen, die Restschuld schneller zu senken, sodass zukünftige Zinsrisiken geringer ausfallen. Auch sollte man realistisch kalkulieren, was man sich leisten kann, falls die Zinsen bei der Anschlussfinanzierung höher sind als heute. Insgesamt sind Umsicht und Vorsorge das Gebot der Stunde. Wer jetzt finanziert, tut gut daran, nicht auf fallende Zinsen zu spekulieren, sondern die Finanzierung so aufzustellen, dass sie auch bei anhaltend erhöhtem Zinsniveau tragfähig bleibt.
„Die Milliardenverschuldung des Sondervermögens kommt Eigentümer teuer zu stehen. Wer seine Immobilie verkaufen möchte, handelt besser jetzt, bevor Zinsen den Markt abwürgen.“
Andreas Heinrichs
Fazit
Niedrige Leitzinsen der EZB führen nicht automatisch zu niedrigen Bauzinsen – das erleben wir derzeit sehr deutlich. Die Bauzinsen hängen an langfristigen Marktbedingungen und Erwartungen: Anleiherenditen, Inflation und Investorenstimmung spielen die entscheidende Rolle. Aktuell sorgt besonders das geplante 900-Milliarden-Sondervermögen des Bundes für steigende Kapitalmarktzinsen, indem es die Perspektive massiv erhöhter Staatsverschuldung schafft. Dieses Sonderprogramm ist zu einem zentralen Treiber der Bauzinsen geworden: Obwohl die EZB die Zinszügel etwas lockert, bleiben Immobilienkredite teuer, weil der Markt langfristig höhere Zinsen einpreist. Für Immobilienkäufer ist es wichtig, diese Zusammenhänge zu kennen. Der historische Zinsschwung der letzten Wochen zeigt, wie schnell sich Kreditkonditionen ändern können, wenn Politik und Märkte neue Signale senden.
Die Quintessenz lautet: Ein sinkender EZB-Leitzins ist kein Garant für günstige Bauzinsen. Im aktuellen Umfeld mit riesigen Investitionsprogrammen und anhaltender Inflationsunsicherheit ist eher das Gegenteil der Fall – die Hypothekenzinsen bleiben auf erhöhtem Niveau. Daher sollten Kreditnehmer ihre Strategien entsprechend ausrichten: lieber früher die Konditionen sichern, auf lange Sicht planen und nicht auf weitere Wunder in Form von Nullzinsen hoffen. Das geplante Sondervermögen der Bundesregierung zeigt exemplarisch, wie staatliche Schuldenpolitik und Bauzinsen zusammenhängen. Wer diese Mechanismen versteht, kann bessere Finanzierungsentscheidungen treffen. Letztlich ist Vorsicht besser als Nachsicht: Ein solider Finanzierungsplan mit festen Zinsen und Puffer ist derzeit der beste Weg, um den Traum vom Eigenheim auch in Zeiten steigender Bauzinsen zu verwirklichen.
Häufig gestellte Fragen
Bauzinsen richten sich an langfristigen Zinsen am Kapitalmarkt aus, insbesondere den Renditen der Staatsanleihen. Wenn der Staat sich vermehrt verschuldet und neue Anleihen ausgibt, steigen diese Renditen häufig an. Daher können Bauzinsen steigen, obwohl die EZB kurzfristige Kredite durch sinkende Leitzinsen günstiger macht.
Der Leitzins der EZB bestimmt, zu welchen Konditionen Banken kurzfristig Geld bei der Zentralbank aufnehmen können. Bauzinsen hingegen sind langfristige Kreditzinsen, die Banken ihren Kunden für Immobilienfinanzierungen anbieten. Diese basieren nicht unmittelbar auf dem EZB-Zins, sondern orientieren sich stärker an langfristigen Marktentwicklungen.
Das Sondervermögen ist ein speziell geschaffenes, schuldenfinanziertes Budget in Höhe von etwa 900 Milliarden Euro. Es wurde von CDU, SPD und Grünen gemeinsam beschlossen, um massive Investitionen in Infrastruktur und Verteidigung außerhalb des normalen Staatshaushalts zu ermöglichen. Faktisch bedeutet das, dass der Staat deutlich höhere Schulden aufnimmt, um dieses Vermögen zu finanzieren.
Formal werden Sondervermögen getrennt vom regulären Staatshaushalt geführt, um politisch sensible Schuldenlimits (z. B. die Schuldenbremse) nicht offiziell zu überschreiten. Tatsächlich handelt es sich jedoch ebenfalls um staatliche Schulden, die am Kapitalmarkt finanziert werden müssen. Investoren betrachten sie deshalb genauso kritisch wie reguläre Schulden, was die Renditen am Markt beeinflusst.
Um das Sondervermögen zu finanzieren, gibt die Bundesregierung zusätzliche Staatsanleihen aus. Dadurch entsteht am Markt ein Überangebot an Staatsanleihen, wodurch deren Renditen steigen. Diese höheren Renditen wiederum verteuern die Refinanzierungskosten der Banken und erhöhen somit direkt die Bauzinsen.
Banken refinanzieren ihre Immobilienkredite oft durch Pfandbriefe oder ähnliche Wertpapiere, deren Konditionen sich stark an den Renditen langfristiger Staatsanleihen orientieren. Wenn also die Renditen der Bundesanleihen steigen, müssen auch Banken höhere Zinsen für ihre Refinanzierung bezahlen. Diese höheren Kosten geben sie anschließend direkt an ihre Kunden in Form von gestiegenen Bauzinsen weiter.
Hohe Inflation oder auch nur die Erwartung anhaltender Inflation zwingt Banken und Investoren dazu, höhere Zinsen zu verlangen, um den Wertverlust ihres Geldes auszugleichen. Zusätzlich erhöhen Banken bei Inflationsrisiken die Risikozuschläge auf langfristige Kredite. Das führt dazu, dass Immobilienfinanzierungen teurer werden, auch wenn der EZB-Leitzins kurzfristig sinkt.
Die Entscheidung zum Immobilienkauf hängt immer von der individuellen finanziellen Situation und den persönlichen Zielen ab. Steigende Zinsen machen Immobilienkredite zwar teurer, gleichzeitig könnten sie aber auch Druck auf die Immobilienpreise ausüben und diese stabilisieren oder sogar senken. Entscheidend ist eine realistische Einschätzung der finanziellen Tragfähigkeit der Finanzierung, um nicht später von höheren Anschlussfinanzierungskosten überrascht zu werden.
Immobilienkäufer können steigenden Bauzinsen mit einer möglichst langen Zinsbindung begegnen. Ein Forward-Darlehen bietet die Möglichkeit, sich frühzeitig das aktuelle Zinsniveau für zukünftige Kreditverlängerungen zu sichern. Zusätzlich sollte man einen finanziellen Puffer einplanen, um höhere Belastungen bei späteren Anschlussfinanzierungen problemlos stemmen zu können.
Politische Entscheidungen, wie die Aufnahme hoher zusätzlicher Schulden über ein Sondervermögen, wirken unmittelbar auf den Kapitalmarkt. Mehr Schulden erhöhen die Angebotsmenge an Staatsanleihen, was deren Zinsen steigen lässt. Da Bauzinsen von diesen Anleihen abhängen, wirkt sich jede große politische Finanzentscheidung am Ende direkt oder indirekt auf Immobilienfinanzierungen aus.
Langfristig führen steigende Zinsen meist dazu, dass Immobilienfinanzierungen teurer werden, was wiederum die Nachfrage nach Immobilien verringert. Wenn sich weniger Käufer Immobilien leisten können, dämpft das den Preisanstieg oder führt sogar zu sinkenden Preisen. In Regionen mit ohnehin schon hohen Preisen könnte ein Zinsanstieg so zu einer Stabilisierung oder Preiskorrektur führen.
Experten gehen aktuell davon aus, dass das Zinsniveau aufgrund des starken Einflusses staatlicher Verschuldung und des Sondervermögens mindestens die nächsten ein bis zwei Jahre erhöht bleiben wird. Auch Inflationsrisiken tragen dazu bei, dass die Zinsen nicht schnell sinken dürften. Immobilieninteressierte sollten sich daher kurzfristig nicht auf deutlich sinkende Zinsen verlassen und eher langfristig planen.
Quellen:
- Stefan Wolff – Tagesschau, 20.06.2024: „Warum Bauzinsen trotz sinkender Zinsen steigen“
- Frank Bethmann – ZDF heute, 18.03.2025: „Folge der neuen Schuldenpolitik: Bauzinsen schießen in die Höhe“
- Manager Magazin, 06.03.2025: „Beben am Anleihemarkt – neue Schulden werden teurer“
- Nicole Spielbauer – IG Bay News, 19.03.2025: „Steigende Bauzinsen durch neues Schuldenpaket“
- n-tv.de, 10.03.2025: „Bauzinsen steigen so stark wie seit der Finanzkrise nicht mehr“
- Tagesschau, 07.03.2025: „Was bedeutet das Fiskalpaket für den Anleihemarkt?“
- Tagesschau, 18.06.2024: Expertenrat – „Nicht auf sinkende Zinsen spekulieren“